SLEEPING MONSTERS

a documentary by
Markus Schmidt, Jan Bernotat & Marion Glaser

08.12.2008 -

Ohne Kitsch und verlogene Romantik: Eine Afrika-Dokumentation auf Arte

VON HARALD KELLER

Vielleicht sollte man für gewisse, das Fernsehen schmähende Pauschalurteile ein Pendant zum Phrasenschwein installieren. Dann kostete jede Plattitüde fünf Euro, und der alsbald üppige Erlös könnte einem guten Zweck zugute kommen. Der Betrag würde unter anderem fällig, wenn wieder einmal eine allzu späte Sendezeit beklagt wird.

Im vorliegenden Falle aber zahlte man das gern. Denn nicht nur platziert Arte die außergewöhnliche Dokumentation "Schlafende Monster" nach Mitternacht, es findet sich nicht einmal ein angemessener Hinweis im Arte-Monatsheft, wo stattdessen der im Vergleich belanglose Themenabend "Europas Sterne strahlen" hervorgehoben wird.

Kein sehr freundlicher Umgang mit einem Film von derart seltener Qualität. Denn das Autorengespann Markus Schmidt, Jan Bernotat und Marion Glaser hat die schwierige Aufgabe gelöst, den gemeinhin eher flüchtig gestreiften als analytisch erfassten Konflikt zwischen Ruanda und Kongo einerseits und den ruandischen Bevölkerungsgruppen Tutsi und Hutu andererseits transparent zu machen. Vor allem vermittelt ihre 95-minütige Dokumentation ein anschauliches Bild von der Lage in Ost-Kongo. Die Krisenregion ist das Arbeitsgebiet des kanadischen UN-Beauftragten Eric Besner, der die aus Ruanda geflüchteten Hutu auf diplomatischem Wege zur Abgabe ihrer Waffen und zur Heimkehr bewegen soll. Eine schier unlösbare Aufgabe.

Teile der Hutu, aber längst nicht alle, hatten 1994 in Ruanda brutale Massaker an den Tutsi verübt. Inzwischen stellen die ihrerseits nicht unbescholtenen Tutsi die Regierung. Die Hutu-Angehörigen fürchten eine Rachejustiz - nicht ohne Grund, denn auf ruandischem Gebiet wurden bereits Tutsi-Jugendliche verurteilt, die rein altersbedingt nicht an den Morden beteiligt gewesen sein konnten.

Die unter widrigen und gefahrvollen Umständen erstellte Dokumentation erhellt diese Probleme und zeigt auf, wie sich der UN-Vermittler gegen die Hoffnungslosigkeit anstemmt, wieviel Geduld seine Aufgabe verlangt, wie kleinste Fortschritte nur auf äußerst mühseligen Wegen erzielt werden können. Berührend, wie Besners Dolmetscher vom Mord an seiner Ehefrau erzählt und wenig später ein trauriges Lied anstimmt.

Währenddessen sterben weiterhin Menschen. Zwei couragierte Priester dokumentieren die bestialischen Metzeleien, die mutmaßlich von Freischärlern verübt, aber der Hutu-Organisation FDLR angelastet werden. Den pakistanischen UN-Blauhelmen sind die Hände gebunden. Und, abstrus genug, in der Fastenzeit Ramadan setzen sie sich gleich selbst außer Gefecht.

"Schlafende Monster", Arte,

0.15 Uhr.

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Erscheinungsdatum 08.12.2008

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